Der digitale Nachlass
Eine neue Herausforderung, auch für den Erbrechtsexperten


In das World Wide Web gestellte Informationen, privat und gewerblich genutzte Webseiten oder erworbene Domainnamen werden in Zukunft einen wesentlichen Teil, auch an Vermögenswerten, dessen ausmachen was wir unseren Rechtsnachfolgern hinterlassen oder juristisch ausgedrückt „vererben“.

Dies stellt auch die juristische Rechtsnachfolgegestaltung vor neue Aufgaben.

Manche Informationen, wie Zugangsdaten zu Internetseiten, werden daher zukünftig mit persönlicher Berechtigungszuweisung in der testamentarischen Regelung etwa wie folgt Erwähnung finden: Mein Neffe, „X“ erbt die von mir betriebene Verkaufswebsite „Y.com“ mit den Zugangsdaten „ABC“.

Ohne amtliche Verwahrung, Stichwort: Testamentssicherheit, sollten entsprechende Zugangsdaten allerdings nicht testamentarisch direkt erwähnt werden, namentlich also nicht in einem rein privatschriftlichen Testament.

Insbesondere soll ja mit einer solchen Zuweisung gerade sichergestellt werden, dass weder zu Lebzeiten noch vor Übernahme durch die vorgesehenen Erben oder Vermächtnisnehmer nach dem eigenen irdischen Dasein sich eine dritte Person des eigenen digitalen Nachlasses bemächtigt.

Mitunter sollen allerdings Teile des eigenen Nachlasses, etwa der persönliche E-Mail-Account, überhaupt keiner Person, und oft gerade auch nicht dem vorgesehenen Erben, bekannt werden. Die vorstellbaren Gründe hierfür sind äusserst vielgestaltig. Sei es, dass hieraus eigene Verwicklungen in kriminelle oder auch nur moralisch verwerfliche Vorgänge ersichtlich würden, oder Anlass zur strafrechtlichen Verfolgung oder moralischen „In-Zweifel-Ziehung“ des Verhaltens anderer Personen geschaffen würde. Hinweise auf aussereheliche Beziehungen könnten Auswirkungen auf persönliche Beziehungen einzelner oder ganzer Familien haben, eventuell sogar über Generationen hinweg.

Andererseits ist auch die Möglichkeit eröffnet, dass seitens des Vererbers mit zielgerichtet falscher Informationsverbreitung nach dem eigenen Ableben Rachefeldzüge über den eigenen Lebenszeitraum hinaus wesentlich einfacher und in der Verbreitung effektiver betrieben werden als dies zu Zeiten des simplen „Abschiedsbriefes“ der Fall war und dies natürlich ganz ohne die Gefahr noch selbst jemals belangt zu werden.

Leider lehrt die Lebenserfahrung, dass neue technische Möglichkeiten von gewissen Zeitgenossen immer auch missbraucht werden.

Damit ist das aktuelle Problemspektrum nur ansatzweise aufgezeigt;
die Chancen des digitalen Nachlasses einerseits, wie auch die Risiken von dessen Missbrauch.


Grundlegendes zur aktuellen Rechtslage

Neuartige Problemfelder für die „Generation Internet“ sind die eine Seite. Die Frage nach der aktuellen Rechtssituation hierzu die sich anschliessende Folgefrage.

Oft ist von Juristen einleitend abzuklären, welches nationale Recht denn überhaupt zur Anwendung kommt. Diese Thematik wiederum wird vom internationalen Privatrecht betroffener Staaten je nach Rechtsgebiet, - Erbrecht, Vertragsrecht, Strafrecht u.a. -, unterschiedlich beantwortet.

Bei Bezugspunkten in Deutschland und Spanien bestimmt für erbrechtliche Fragen beispielsweise die Nationalität des Vererbers das anzuwendende nationale Erbrecht. Bei schuldrechtlichen Vereinbarungen ist die ausdrückliche Rechtswahl eröffnet.

Gehen wir von der Anwendung des deutschen Rechtes aus, sei folgendes festgehalten:
 

1.

Mit Erbschein ausgewiesene Erben haben das Recht des Zuganges zu jeder Website oder E-Mail-Account des Verstorbenen.Der Erbe tritt auch betreffend den digitalen Nachlass umfassend in die Rechtsstellung des Vererbers ein.
 

2.

Andererseits sind die Erben aber damit auch an vertragliche Regelungen des Erblassers mit Webdienstleistern gebunden.
 

3.

Der Datenschutz endet mit dem eigenen Versterben, aber das Persönlichkeitsrecht des Erblassers kann über diesen Zeitpunkt als schutzwürdig hinausreichen. Bei schwerwiegenden Angriffen gegen die Menschenwürde des Verstorbenen können Unterlassungs- und  Widerrufsansprüche oder die Löschung von Webinhalten geltend gemacht werden.
 

4.

Weiterhin sind einige sondergesetzliche Regelungen zu beachten.

So sind Urheberrechte nach § 28 I UrhG (Urhebergesetz) vererblich.

§ 22 KuG (Kunsturhebergesetz) sieht vor, das Bilder das Verstorbenen binnen zehn Jahren nach dessen Tod der Zustimmung der Angehörigen bedürfen.


Praktische Fragen und deren Lösung

 

F:

Ich möchte sicherstellen, dass niemand nach meinem Versterben in meinen privaten E-Mail-Account oder mein soziales Netzwerk bei Facebook oder Xing, insbesondere den zugangsbeschränkten Bereich u.a. Einblick nimmt.
 

A:

Entsprechende vertragliche Vereinbarung der Löschung im Versterbensfall mit dem Anbieter, wenn noch nicht in dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten.
 

F:

Verschiedene Internetaccounts sollen an unterschiedliche Personen vermacht werden.
 

A:

Differenzierte Regelung im amtlich verwahrten notariellen Testament
 

F:

Eigener Nachruf soll in das Web/bestimmte Seiten eingestellt werden oder es sollen ausgewählte Personen mit bestimmten Inhalten informiert werden.
 

A:

Inauftraggabe an Vertrauenspersonen oder diesbezügliche professionelle Dienstleister, verbunden mit einer spezifischen unwiderruflichen Vollmacht über den Tod hinaus.

Ergänzende testamentarische Absicherung, eventuell unter Einsetzung eines Testamentsvollstreckers.

Ein Problem des deutschen Erbrechtssystems liegt hier darin, dass der deutsche Erbschein nur den oder die Erben, nicht aber einzelne Vermächtnisnehmer oder Auflagen ausweist.
 

F:

Was nun, wenn der Verstorbene praktisch posthum über postmortale Dienstleistungsaufträge seinerseits Rechtsverletzungen oder gar Straftaten „begeht“, um sich an seiner Nachwelt zu rächen?
 

A:

Hier können für Erben oder beauftragte postmortale Dienstleister Haftungsrisiken entstehen.

Strafrechtlich kann natürlich gegen den Verstorbenen, ebenso wie zivilrechtlich direkt gegen seine Person, nicht mehr vorgegangen werden.

In Zweifelsfällen ist vor Auftragsausführung die Rechtslage abzuklären.
 

F:

Bedürfen Vollmachten über den Tod hinaus, - transmortale Vollmachten -, oder gerade für den Zeitraum nach dem eigenen Versterben erteilte Vollmachten, - sogenannte postmortale Vollmachten -, einer besonderen Form?

 

A:

Soweit diese, wie nach deutschem Recht, überhaupt zulässig sind, ist die notarielle Form jedenfalls empfehlenswert. Dies gilt auch für sogenannte Vorsorgevollmachten für Zeiten eigener lebzeitiger Handlungsunfähigkeit.
 

Im Ergebnis sind im Regelfall zur Zielerreichung vertragliche und testamentarische Massnahmen zu kombinieren und durch gezielte Vollmachtserteilungen zu ergänzen.


Dienstleistungsangebote für den digitalen Nachlass

Wie nicht anders zu erwarten, finden sich auch hier die Vorreiter wie „Legacy Locker“ und „Vitallock“ in den Vereinigten Staaten, nun allerdings seit 2009 auch europäische und deutsche Anbieter mit unterschiedlicher Angebotstiefe, von der schlichten Freischaltung einer Internetinformation nach Erhalt der Sterbeurkunde bis hin zu einer differenzierten Auftragserledigung, welche dem Verstorbenen nicht nur eine nachträgliche Verabschiedung von seinem Bekanntenkreis, etwa über ein bei youtube hochgeladenes Video, bis hin zu einem postmortalem Weiterleben ermöglicht, wenn das Umfeld „Post von einem Toten erreicht..

Bei solch neuer Dienstleister-Marktentstehung ist eine sorgfältige Auswahl und Prüfung geeigneter Anbieter vor Inanspruchnahme anzuraten.





 

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